Jazz als Meditation

Das Jazztrio Kordes-Tetzlaff-Godejohann stellte in der „Capella Hospitalis“ sein neues Programm „heimlich, still & leise“ vor

Bielefeld. Sie wollten unbedingt mit ihrem neuen Programm in diesen Raum der Ruhe und des stillen Gedenkens: Gleich zweimal war das renommierte Bielefelder Jazztrio Kordes-Tetzlaff-Godejohann am vergangenen Wochenende in der „Capella Hospitalis“ zu erleben. Dort präsentierten Olaf Kordes (Piano), Wolfgang Tetzlaff (Kontrabass) und Karl Godejohann (Schlagzeug) erstmals die Werke ihrer neuen CD „heimlich, still & leise“. Beide Auftritte waren bereits lange im Voraus ausgebucht.

Schon beim ersten Stück wird klar, dass sich das Trio mit seinem neuen Werk wesentlich mehr Freiheiten herausnimmt als noch bei der Vorgänger-CD „Salute to Bach“. Den Anfang macht „Resignazione“, ein Spätwerk von Franz Liszt, geschrieben 1877 für die Orgel.

Kordes, von dem sämtliche Arrangements und Eigenkompositionen auf der neuen CD stammen, stieß auf das Werk in einer Abtei in der Provence und ließ sich davon zu einem Stück inspirieren, das in seinen Klangfarben nicht nur Leid, Schmerz und Depression, sondern auch Zuversicht transportiert – und an dessen Ende von seiner Grundmelodie nichts mehr zu hören ist.

Es ist ein programmatischer Auftakt, macht er doch nicht nur deutlich, dass es dem Trio mit „heimlich, still & leise“ darauf ankommt, die Grenzen ihrer gemeinsamen Musizierweise erneut auszuloten.

Eine entschleunigte und zärtliche Version von "Rainbow"

Programmatisch auch deshalb, weil es Kordes-Tetzlaff-Godejohann auf faszinierende Weise verstehen, aus ihren Auftritten meditative Ereignisse zu machen, wobei ihnen gerade in der „Capella Hospitalis“ die große Nähe zum Publikum gelegen kommt. Das darf sich erst zum Schluss erholen, der letzte Titel der CD lautet passenderweise „Ricreazione“ (Erholung)

Dazwischen nimmt sich das Trio José Felicianos „Let’s Find each other Tonight“ vor, wobei Tetzlaff die Basslinie vorgibt und er damit einmal mehr demonstriert, warum er an diesem Instrument zu den Ausnahmekünstlern zählt; Harold Arlens „Somewhere over the Rainbow“ verschleppt das Trio in einer Weise, die vermutlich wirklich „die entschleunigste Regenbogenversion ist, die je gespielt wurde“, so Kordes – und vermutlich auch die zärtlichste; Stefano di Battistas „Anastasia“ kommt normalerweise in großer Besetzung mit Orchester und Streichern daher. Scheinbar mühelos wird bei diesem Arrangement des Jazztrios das Klavier zur Harfe, der Bass zum Saxophon, das Schlagzeug zu Streichern. Großartig das energiegeladene Solo von Godejohann bei diesem Lied. Wer das beherrscht, dem fällt es nicht schwer, „Cape Town Flower“ geschmeidig neu zu interpretieren, jene Liebeserklärung an Johannesburg aus der Feder von Abdullah Ibrahim.

Wunderbar auch Kordes’ Eigenkompositionen auf der neuen CD, sei es der von Mendelssohn-Bartholdy inspirierte „Song of Peace“, das „Milonga für Herrn L.“ und das sphärisch klingende „Voiles“. Das Publikum dankte mit viel Applaus und bekam noch zwei Zugaben geboten.

Tarek Chafik, NW, 20.02.2017